Sachverhalt/Begründung
Die
öffentliche Hand ist wie jeder Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet,
vollständige und richtige Steuererklärungen abzugeben. Aufgrund der Komplexität
im Steuerrecht kann es trotz größter Sorgfalt bei der Abgabe von Steuererklärungen
zu Fehlern kommen. Insbesondere betrifft die Steuerpflicht folgende
Steuerarten:
·
Lohnsteuer
z. B. Erfüllung der Arbeitgeberverpflichtungen; Besteuerung von
Arbeitseinkommen, Sachbezügen und geldwerter Vorteil
·
Umsatzsteuer
z. B. Besteuerung des umsatzsteuerlichen Unternehmensbereichs, Besteuerung von
Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland (Wechsel der Steuerschuldnerschaft,
innergemeinschaftlicher Erwerb)
·
Körperschaft-
und Gewerbesteuer
z. B. Besteuerung der Gewinne der Betriebe gewerblicher Art
·
Einkommensteuer
z. B. Steuerabzug nach §§ 48 bis 48 d bei Bauleistungen, Kapitalertragsteuer
bei Betrieben gewerblicher Art
Vor
allem in Hinblick auf die Erweiterung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen
Hand durch Anwendung des § 2 b UStG, der voraussichtlich ab dem 01.01.2025
greift, ist mit einer zunehmenden Anzahl von umsatzsteuerlichen Fragestellungen
zu rechnen. Mit dem Anstieg von Sachverhalten, die der Besteuerung unterliegen,
steigt das Risiko einer nicht vollständigen Steuererklärung. Die Erfüllung der
steuerlichen Pflichten ist somit noch stärker als bisher in den Vordergrund zu
stellen.
Eine
verspätete, fehlerhafte und unvollständige Abgabe von Steuererklärungen birgt
für den Landkreis erhebliche finanzielle und politische Risiken und kann
darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen für den gesetzlichen Vertreter, für
die Verwaltungsleitung sowie für verantwortliche Mitarbeiter/Innen nach sich
ziehen. Dennoch können objektiv unrichtige Steuererklärungen nicht
ausgeschlossen werden. Die vorrangigen Ursachen hierfür liegen in komplexen
Sachverhalten, dezentralen Verwaltungsaufbau und in unscharfen
Abgrenzungsregelungen zwischen den steuerpflichtigen und nicht
steuerpflichtigen Betätigungsbereich der öffentlichen Hand. Wird nach Abgabe der
Steuerklärung erkannt, dass diese unrichtig oder unvollständig ist und es
dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann bzw. bereits gekommen ist,
ist unverzüglich eine Berichtigung nach § 153 AO vorzunehmen.
Da es
in den letzten Jahren deutliche Verschärfungen im Steuerstrafrecht gab, ist es
nicht auszuschließen, dass im Fall einer solchen Berichtigung vom Finanzamt
eine straf- bzw. bußgeldrechtliche Vorwerfbarkeit des Erklärenden geprüft wird.
Ein Fehler ist straf- bzw. bußgeldrechtlich nur dann vorwerfbar, wenn er
vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde. Für eine Steuerhinterziehung
reicht bereits bedingter Vorsatz aus. Ob im Einzelfall Vorsatz oder
Leichtfertigkeit anzunehmen ist, und welcher der verschiedenen Vorsatzformen
konkret vorliegt oder aber nicht, ist häufig juristisch nur schwer abgrenzbar.
Zur Abgrenzung führt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) im
Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.05.2016 unter der Randnummer 2.6 aus: „Hat
der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung
der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das –
vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – gegen das Vorliegen eines Vorsatzes
oder der Leichtfertigkeit sprechen kann.“ Folglich kann ein erfolgreich eingerichtetes
Kontrollsystem bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zugunsten der
juristischen Person des öffentlichen Rechts und ihrer handelnden Personen
gewertet werden.
Vor
diesem Hintergrund führt das Landratsamt Pfaffenhofen a.d.Ilm ein innerbetriebliches
Kontrollsystem, ein sog. Tax Compliance Management System (TCMS), ein. Diese
ist gültig für das Landratsamt (Kreisverwaltungsbehörde und Landkreis). Vom
Abfallwirtschaftsbetrieb als Eigenbetrieb wurde eine eigene Richtlinie
erstellt, die vom Werkausschuss Abfallwirtschaft am 22.03.2023 an den Kreistag
zur Beschlussfassung empfohlen wurde.
In
einem TCMS sind die Grundsätze und Maßnahmen zur Einhaltung der steuerlichen
Regeln und Pflichten, unter Einbeziehung der Organisationsstrukturen,
zusammengefasst und dokumentiert, die ein rechtmäßiges Verhalten der
Verwaltungsleitung sowie der Mitarbeiter/Innen gewährleisten.
Ein
angemessenes TCMS basiert auf sieben – miteinander in Wechselwirkung stehenden
- Grundelementen:
1. Tax
Compliance – Kultur:
Festlegung
von Grundeinstellungen und erwarteten Verhaltensweisen bezogen auf die
Einhaltung der steuerlichen Pflichten, Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen,
Führungskräfte haben Vorbildfunktion
2. Tax
Compliance – Ziele
Sicherstellung
der vollumfänglichen Erfüllung der steuerlichen Pflichten, Einführung von
vorbeugenden Maßnahmen und aufdeckenden Kontrollen, um dieses Ziel zu erreichen
3. Tax
Compliance – Organisation
Festlegung
von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten und einer lückenlosen und
überschneidungsfreien Ablauforganisation mit entsprechender Dokumentation
4. Tax
Compliance – Risiken
Systematische
Risikoerkennung und Risikobewertung differenziert nach Steuerarten
5. Tax
Compliance – Programm
Einführung
von präventiven und detektivischen Maßnahmen um Verstöße zu vermeiden, Erlass
von Richtlinien und Checklisten, Schulungen von Führungskräften und
Mitarbeiter/Innen, Festlegung von Vertretungs- und Unterschriftsbefugnisse,
anlassbezogene und stichprobenartige Kontrollen, Dokumentation
6. Tax
Compliance – Kommunikation
Sensibilisierung
und Information der Führungskräfte und Mitarbeiter/Innen über das Programm, die
festgelegten Rollen und Verantwortlichkeiten sowie über die Risiken
7. Tax
Compliance – Überwachung und Verbesserung
Überprüfung
der organisatorischen Vorkehrungen und Maßnahmen, Umsetzung von festgestellten
Verbesserungsmöglichkeiten, Dokumentation
Für das
Landratsamt Pfaffenhofen a.d.Ilm wurde eine auf die Verwaltung zugeschnittene
Tax Compliance Richtlinie erarbeitet. Diese orientiert sich am Muster des
Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, der die Praxishinweise zur
Ausgestaltung und Prüfung eines TCMS des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW
PS 980) als Grundlage herangezogen hat.
Mit der
Einführung des TCMS soll die vollständige und fristgerechte Erfüllung der
steuerlichen Pflichten sichergestellt werden, um dadurch finanziellen
Konsequenzen und persönliche Haftungsrisiken zu minimieren bzw. zu vermeiden.
Ein weiteres Ziel ist die Sensibilisierung der Führungskräfte und
Mitarbeiter/Innen auf die steuerrechtlichen Sachverhalte.
Beschlussvorschlag:
Der Kreistag beschließt auf
Empfehlung des Werkausschusses Abfallwirtschaft vom 22.03.2023 sowie des
Kreisausschusses vom 24.04.2023:
Der Kreistag stimmt den Steuer-Richtlinien (Tax Compliance Richtlinien) des Abfallwirtschaftsbetriebes Pfaffenhofen a.d.Ilm und des Landratsamtes Pfaffenhofen a.d.Ilm zu. Die Umsetzung und der dauerhafte Betrieb der Tax Compliance Management Systeme mit dem Ziel, die Einhaltung der steuerlichen Pflichten angemessen und wirksam zu gewährleisten, werden befürwortet und unterstützt.