Betreff
Öffentlicher Auftrag (Betrauungsakt) für die Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen
Vorlage
2009/0788
Aktenzeichen
541
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt/Begründung

1.    Allgemeines zum europäischen Beihilferecht
Nach dem EG-Vertrag (Art. 87 ff.) sind staatliche Beihilfen an Unternehmen im Hinblick auf den Wettbewerb vom Grundsatz her nicht zulässig. Unter bestimmten Voraus-setzungen können jedoch Ausnahmen zugelassen werden.

So sind z.B. Krankenhäuser Unternehmen im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts mit der Folge, dass alle geldwerten Vorteile, insbesondere Defizitausgleiche, Investitionszuschüsse usw. als beihilferechtliche Vorgänge dem einschlägigen EU-Recht unterliegen. Diese Beihilfen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und unterliegen grundsätzlich der Notifizierungspflicht (alle Beihilfen sind vor der Gewährung der Kommission anzumelden; Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag) und dem Durchführungsverbot (vor
einer abschließenden Entscheidung der Kommission darf eine Beihilfe nicht gewährt werden; Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag).

Insofern beeinflusst das europäische Beihilferecht zunehmend das Handeln der Kommunen. Dabei geht es letztlich um die Kernfrage, wie die Leistungen der öffentlichen Hand im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge weiterhin EU-rechtssicher gestaltet werden müssen bzw. können.

Die EU-Kommission hat im November 2005 mit dem sogenannten Monti-Paket ein Maßnahmenpaket zum europäischen Beihilferecht veröffentlicht.


Das Monti-Paket will staatliche und kommunale Ausgleichszahlungen an Unternehmen mit Gemeinwohlverpflichtungen (besondere Aufgaben) erleichtern und stellt hierfür Kriterien auf,

  •  wann es sich dabei um mit dem Europarecht zu vereinbarende Zuwendungen
  •  und wann es sich um Beihilfen handelt, die bei der EU-Kommission anzuzeigen und von dieser zu genehmigen sind.


Das Monti-Paket besteht aus drei Regelungskomplexen:

·         Der Entscheidung der Kommission über die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, genannt „Freistellungsentscheidung“,

  • dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden
  • und der Richtlinie über die Transparenz der finanziellen Beziehungen.

 

Die Rechtssprechung des EuGH (Altmark-Trans-Urteil) sowie das Monti-Paket machen es erforderlich, dass die Kommunen ihre Beziehungen zu allen – auch potentiellen – Empfängern von Ausgleichszahlungen überprüfen und, soweit notwendig, rechtlich anpassen.

 

2.    Prüfschema und Freistellungsentscheidung

Aus den Vorschriften des EG-Vertrags (Art. 87 u. 88) im Zusammenhang mit der EuGH-Rechtssprechung, der Freistellungsentscheidung und dem Gemeinschaftsrahmen kann für die Kommunen folgendes Prüfschema abgeleitet werden:

·         Liegt eine Zuwendung durch die Kommune oder eine Zuwendung aus kommunalen
Mitteln vor?

  • Ist keine wirtschaftliche Begünstigung gegeben? (marktübliche Gegenleistung,
    Ausnahme von Altmark-Trans-Urteil)
  • Ist ein Unternehmen Begünstigter?
  • Ist Selektivität gewahrt? (keine allgemeinen Maßnahmen/Beihilfen)
  • Liegt keine Wettbewerbsverfälschung vor oder droht keine Wettbewerbsverfälschung und ist keine Beeinträchtigung des Handelns zwischen den Mitgliedsstaaten gegeben? (De-minimis-Regelung = max. 100.000 € in 3 Jahren; nur lokale Auswirkungen)
  • Ist der Unternehmensgegenstand eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse?

Sind diese Fragen mit „JA“ zu beantworten, so ist grundsätzlich der Geltungsbereich der Freistellungsentscheidung (Art. 2 der Richtlinie) eröffnet.

Wenn dies der Fall ist, ist die Ausgleichszahlung mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und muss nicht gemäß Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag notifiziert werden.
Die Freistellungsentscheidung bestimmt also, unter welchen Voraussetzungen Beihilfen als Ausgleich gewährt werden können.

 

3.    Notifizierung, Genehmigung und Durchführungsverbot
Ist die Freistellungsentscheidung nicht eröffnet und besteht somit Notifizierungspflicht , so entscheidet die Kommission auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens und im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die Genehmigung einer Beihilfe. Solange keine
abschließende Kommissionsentscheidung vorliegt, darf die Beihilfe nicht gewährt werden (Durchführungsverbot).

 

4.    Handlungsbedarf bei der Klinik des Landkreises
Die Klinik des Landkreises erbringt Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse und fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des EU-Beihilferechts. Demzufolge ist auch die sogenannte Freistellungsentscheidung der Europäischen Kommission
anwendbar.

Das Kommunalrecht entbindet den Landkreis nicht von der Freistellungsentscheidung.
Art. 51 Abs. 3 Nr. 1 LKrO regelt lediglich die generelle Verpflichtung des Landkreises, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser zu betreiben und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen für die Freistellung von der Notifizierungspflicht.

Das Gemeinschaftsrecht fordert mehr. Es macht die Freistellung davon abhängig, dass die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse durch besonderen Verwaltungs- oder sonstigen Rechtsakt (z.B. Vertrag) dem Kommunalunternehmen bzw. den Kliniken auch formal übertragen wird (Art. 4 Satz 1 Freistellungsentscheidung).

Im Hinblick auf die Erfüllung der EU-rechtlichen Vorgaben hat die Verwaltung deshalb einen öffentlichen Auftrag (Betrauungsakt) vorbereitet, der sich an ein Muster des Bayerischen Landkreistages anlehnt.

Durch diese Dokumentation wird sichergestellt, dass Leistungen des Landkreises an die Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen für die Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen
wirtschaftlichen Interesse nicht gegen Art. 87 EG-Vertrag verstoßen.

5.    Inhalt des Betrauungsakts im Einzelnen
In den Eckpunkten hat der Betrauungsakt folgenden Inhalt:

§ 1 Gemeinwohlaufgabe

Unter Bezug auf Art. 51 Abs. 2 und 3 Nr. 1 der Bayerischen Landkreisordnung wird die
Verpflichtung des Landkreises festgestellt, die erforderlichen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zu errichten und zu unterhalten. Hier handelt es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinn der Freistellungsentscheidung.

§ 2 Beauftragung, Art der Dienstleistungen

Hier wird das Unternehmen „Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen“ mit der unbefristeten
Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beauftragt. Die Dienstleistungen sind konkret bezeichnet und in verschiedene Bereiche gegliedert.

Die genannten Aufträge erfüllt die Klinik auf der Grundlage des Planaufnahmebescheides des Freistaats Bayern und der Versorgungsverträge nach § 72 SGB XI in seiner Betriebsstätte in Pfaffenhofen.

Daneben erbringt die Klinik in unerheblichem Umfang Dienstleistungen, die nicht zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zählen (z.B. Telefonüber-
lassung an Patienten).

§ 3 Ausgleichszahlungen (zu Art. 5 der Freistellungsentscheidung)

Hier wird bestimmt, dass der Landkreis

  • den Ausgleich eines Jahresfehlbetrages und
  • freiwillige Investitionszuschüsse leisten kann, deren Höhe sich aus dem jeweiligen
    Jahres-Wirtschaftsplan ergibt. Andere weitergehende Begünstigungen des Landkreises sind gesondert nachzuweisen.

Die Begünstigungen gehen nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung verursachten Kosten, unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen sowie einer angemessenen Rendite aus dem eingesetzten Eigenkapital, abzudecken.

Aus dem Betrauungsakt kann kein Rechtsanspruch der Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen auf Ausgleichszahlungen abgeleitet werden.

§ 4 Vermeidung von Überkompensierungen (zu Art. 7 der Freistellungsentscheidung)

Damit es durch Ausgleichszahlungen zu keiner Überkompensierung kommt, muss die Klinik jährlich die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nachweisen.

§ 5 Vorhalten von Unterlagen (zu Art. 7 der Freistellungsentscheidung)

Sämtliche Unterlagen, anhand derer sich feststellen lässt, ob die Ausgleichszahlungen mit den Bestimmungen der Freistellungsentscheidung vereinbar sind, müssen mindestens
10 Jahre aufbewahrt werden.

Die Verwaltung schlägt vor, dem Betrauungsakt zuzustimmen und die Verwaltung zu ermächtigen, den Betrauungsakt künftig entsprechend der Fortschreibung der Rechtsentwicklung den Erfordernissen anzupassen.

 

 

Beschlussvorschlag:

Der Kreistag beschließt auf Empfehlung des Kreisausschusses:

Der Kreistag stimmt dem öffentlichen Auftrag (Betrauungsakt) des Landkreises Pfaffenhofen a.d.Ilm gegenüber der „Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen“ in der vorgelegten Fassung zu. Die Verwaltung wird ermächtigt, den Betrauungsakt künftig im Rahmen der Rechtsentwicklung den Erfordernissen anzupassen. Der Betrauungsakt ist Bestandteil dieses Beschlusses.