Sachverhalt/Begründung
1. Allgemeines
zum europäischen Beihilferecht
Nach dem EG-Vertrag (Art. 87 ff.) sind staatliche Beihilfen an Unternehmen
im Hinblick auf den Wettbewerb vom Grundsatz her nicht zulässig. Unter
bestimmten Voraus-setzungen können jedoch Ausnahmen zugelassen werden.
So sind z.B. Krankenhäuser Unternehmen im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts mit
der Folge, dass alle geldwerten Vorteile, insbesondere Defizitausgleiche,
Investitionszuschüsse usw. als beihilferechtliche Vorgänge dem einschlägigen
EU-Recht unterliegen. Diese Beihilfen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen
zulässig und unterliegen grundsätzlich der Notifizierungspflicht (alle
Beihilfen sind vor der Gewährung der Kommission anzumelden; Art. 88 Abs. 3
EG-Vertrag) und dem Durchführungsverbot (vor
einer abschließenden Entscheidung der Kommission darf eine Beihilfe nicht
gewährt werden; Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag).
Insofern beeinflusst das europäische Beihilferecht zunehmend das Handeln der
Kommunen. Dabei geht es letztlich um die Kernfrage, wie die Leistungen der
öffentlichen Hand im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge weiterhin
EU-rechtssicher gestaltet werden müssen bzw. können.
Die EU-Kommission hat im November 2005 mit dem sogenannten Monti-Paket ein
Maßnahmenpaket zum europäischen Beihilferecht veröffentlicht.
Das Monti-Paket will staatliche und kommunale Ausgleichszahlungen an Unternehmen mit Gemeinwohlverpflichtungen (besondere Aufgaben) erleichtern und stellt hierfür Kriterien auf,
- wann es sich dabei um mit dem Europarecht zu vereinbarende Zuwendungen
- und wann es sich um Beihilfen handelt, die bei der EU-Kommission anzuzeigen und von dieser zu genehmigen sind.
Das Monti-Paket besteht aus drei Regelungskomplexen:
· Der Entscheidung der Kommission über die Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, genannt „Freistellungsentscheidung“,
- dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden
- und der Richtlinie über die Transparenz der finanziellen Beziehungen.
Die Rechtssprechung des EuGH (Altmark-Trans-Urteil) sowie das Monti-Paket machen es erforderlich, dass die Kommunen ihre Beziehungen zu allen – auch potentiellen – Empfängern von Ausgleichszahlungen überprüfen und, soweit notwendig, rechtlich anpassen.
2. Prüfschema und Freistellungsentscheidung
Aus den Vorschriften des EG-Vertrags (Art. 87 u. 88) im Zusammenhang mit der EuGH-Rechtssprechung, der Freistellungsentscheidung und dem Gemeinschaftsrahmen kann für die Kommunen folgendes Prüfschema abgeleitet werden:
·
Liegt eine Zuwendung durch die Kommune oder eine
Zuwendung aus kommunalen
Mitteln vor?
- Ist keine wirtschaftliche Begünstigung gegeben?
(marktübliche Gegenleistung,
Ausnahme von Altmark-Trans-Urteil) - Ist ein Unternehmen Begünstigter?
- Ist Selektivität gewahrt? (keine allgemeinen Maßnahmen/Beihilfen)
- Liegt keine Wettbewerbsverfälschung vor oder droht keine Wettbewerbsverfälschung und ist keine Beeinträchtigung des Handelns zwischen den Mitgliedsstaaten gegeben? (De-minimis-Regelung = max. 100.000 € in 3 Jahren; nur lokale Auswirkungen)
- Ist der Unternehmensgegenstand eine Dienstleistung
von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse?
Sind diese Fragen mit „JA“
zu beantworten, so ist grundsätzlich der Geltungsbereich der
Freistellungsentscheidung (Art. 2 der Richtlinie) eröffnet.
Wenn dies der Fall ist, ist die Ausgleichszahlung mit dem Gemeinsamen Markt
vereinbar und muss nicht gemäß Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag notifiziert werden.
Die Freistellungsentscheidung bestimmt also, unter welchen Voraussetzungen
Beihilfen als Ausgleich gewährt werden können.
3. Notifizierung,
Genehmigung und Durchführungsverbot
Ist die Freistellungsentscheidung nicht eröffnet und besteht somit
Notifizierungspflicht , so entscheidet die Kommission auf der Grundlage des
Gemeinschaftsrahmens und im Rahmen einer Ermessensentscheidung über die
Genehmigung einer Beihilfe. Solange keine
abschließende Kommissionsentscheidung vorliegt, darf die Beihilfe nicht gewährt
werden (Durchführungsverbot).
4. Handlungsbedarf
bei der Klinik des Landkreises
Die Klinik des Landkreises erbringt Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichen
Interesse und fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des
EU-Beihilferechts. Demzufolge ist auch die sogenannte Freistellungsentscheidung
der Europäischen Kommission
anwendbar.
Das Kommunalrecht entbindet den Landkreis nicht von der
Freistellungsentscheidung.
Art. 51 Abs. 3 Nr. 1 LKrO regelt lediglich die generelle Verpflichtung des
Landkreises, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser zu
betreiben und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen für die Freistellung von
der Notifizierungspflicht.
Das Gemeinschaftsrecht fordert mehr. Es macht die Freistellung davon abhängig,
dass die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse durch besonderen Verwaltungs- oder sonstigen Rechtsakt (z.B. Vertrag)
dem Kommunalunternehmen bzw. den Kliniken auch formal übertragen wird (Art. 4
Satz 1 Freistellungsentscheidung).
Im Hinblick auf die Erfüllung der EU-rechtlichen Vorgaben hat die Verwaltung
deshalb einen öffentlichen Auftrag (Betrauungsakt) vorbereitet, der sich an ein
Muster des Bayerischen Landkreistages anlehnt.
Durch diese Dokumentation wird sichergestellt, dass Leistungen des Landkreises
an die Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen für die Erbringung von Dienstleistungen
im allgemeinen
wirtschaftlichen Interesse nicht gegen Art. 87 EG-Vertrag verstoßen.
5. Inhalt
des Betrauungsakts im Einzelnen
In den Eckpunkten hat der Betrauungsakt folgenden Inhalt:
§ 1 Gemeinwohlaufgabe
Unter Bezug auf
Art. 51 Abs. 2 und 3 Nr. 1 der Bayerischen Landkreisordnung wird die
Verpflichtung des Landkreises festgestellt, die erforderlichen Krankenhäuser
und Pflegeeinrichtungen zu errichten und zu unterhalten. Hier handelt es sich
um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinn der
Freistellungsentscheidung.
§ 2 Beauftragung, Art der Dienstleistungen
Hier wird das
Unternehmen „Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen“ mit der unbefristeten
Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
beauftragt. Die Dienstleistungen sind konkret bezeichnet und in verschiedene
Bereiche gegliedert.
Die genannten Aufträge erfüllt die Klinik auf der Grundlage des
Planaufnahmebescheides des Freistaats Bayern und der Versorgungsverträge nach §
72 SGB XI in seiner Betriebsstätte in Pfaffenhofen.
Daneben erbringt die Klinik in unerheblichem Umfang Dienstleistungen, die nicht
zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zählen (z.B.
Telefonüber-
lassung an Patienten).
§ 3 Ausgleichszahlungen (zu Art. 5 der Freistellungsentscheidung)
Hier wird bestimmt, dass der Landkreis
- den Ausgleich eines Jahresfehlbetrages und
- freiwillige Investitionszuschüsse leisten kann,
deren Höhe sich aus dem jeweiligen
Jahres-Wirtschaftsplan ergibt. Andere weitergehende Begünstigungen des Landkreises sind gesondert nachzuweisen.
Die Begünstigungen gehen
nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der
Gemeinwohlverpflichtung verursachten Kosten, unter Berücksichtigung der dabei
erzielten Einnahmen sowie einer angemessenen Rendite aus dem eingesetzten
Eigenkapital, abzudecken.
Aus dem Betrauungsakt kann kein Rechtsanspruch der Ilmtalklinik GmbH
Pfaffenhofen auf Ausgleichszahlungen abgeleitet werden.
§ 4
Vermeidung von Überkompensierungen (zu Art. 7 der
Freistellungsentscheidung)
Damit es durch
Ausgleichszahlungen zu keiner Überkompensierung kommt, muss die Klinik jährlich
die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nachweisen.
§ 5 Vorhalten von Unterlagen (zu Art. 7 der Freistellungsentscheidung)
Sämtliche
Unterlagen, anhand derer sich feststellen lässt, ob die Ausgleichszahlungen mit
den Bestimmungen der Freistellungsentscheidung vereinbar sind, müssen
mindestens
10 Jahre aufbewahrt werden.
Die Verwaltung schlägt vor, dem Betrauungsakt zuzustimmen und die Verwaltung zu
ermächtigen, den Betrauungsakt künftig entsprechend der Fortschreibung der
Rechtsentwicklung den Erfordernissen anzupassen.
Beschlussvorschlag:
Der Kreistag beschließt auf
Empfehlung des Kreisausschusses:
Der Kreistag stimmt dem öffentlichen Auftrag (Betrauungsakt) des Landkreises Pfaffenhofen a.d.Ilm gegenüber der „Ilmtalklinik GmbH Pfaffenhofen“ in der vorgelegten Fassung zu. Die Verwaltung wird ermächtigt, den Betrauungsakt künftig im Rahmen der Rechtsentwicklung den Erfordernissen anzupassen. Der Betrauungsakt ist Bestandteil dieses Beschlusses.