Betreff
Einführung des § 2 b Umsatzsteuergesetz;
Einführung eines Tax Compliance Management Systems (TCMS) (B)
Vorlage
2022/4156
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt/Begründung

 

Die öffentliche Hand ist wie jeder Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet, vollständige und richtige Steuererklärungen abzugeben. Aufgrund der Komplexität des Steuerrechts kann es trotz größter Sorgfalt bei der Abgabe von Steuererklärungen zu Fehlern kommen. Insbesondere betrifft die Steuerpflicht folgende Steuerarten:

·        Lohnsteuer
z. B. Erfüllung der Arbeitgeberverpflichtungen; Besteuerung von Arbeitseinkommen, Sachbezügen und geldwerter Vorteil

·        Umsatzsteuer
z. B. Besteuerung des umsatzsteuerlichen Unternehmensbereichs, Besteuerung von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland (Wechsel der Steuerschuldnerschaft, innergemeinschaftlicher Erwerb)

·        Körperschaft- und Gewerbesteuer
z. B. Besteuerung der Gewinne der Betriebe gewerblicher Art

·        Einkommensteuer
z. B. Steuerabzug nach §§ 48 bis 48 d bei Bauleistungen, Kapitalertragsteuer bei Betrieben gewerblicher Art

 

Vor allem in Hinblick auf die Erweiterung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand durch Anwendung des § 2 b UStG, der voraussichtlich ab dem 01.01.2023 greift, ist mit einer zunehmenden Anzahl von umsatzsteuerlichen Fragestellungen zu rechnen. Mit dem Anstieg von Sachverhalten, die der Besteuerung unterliegen, steigt das Risiko einer nicht vollständigen Steuererklärung. Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten ist somit noch stärker als bisher in den Vordergrund zu stellen.

Eine verspätete, fehlerhafte und unvollständige Abgabe von Steuererklärungen birgt für den Landkreis erhebliche finanzielle und politische Risiken und kann darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen für den gesetzlichen Vertreter, für die Verwaltungsleitung sowie für verantwortliche Mitarbeiter/Innen nach sich ziehen. Dennoch können objektiv unrichtige Steuererklärungen nicht ausgeschlossen werden. Die vorrangigen Ursachen hierfür liegen in komplexen Sachverhalten, dezentralem Verwaltungsaufbau und in unscharfen Abgrenzungsregelungen zwischen dem steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Betätigungsbereich der öffentlichen Hand. Wird nach Abgabe der Steuerklärung erkannt, dass diese unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann bzw. bereits gekommen ist, ist unverzüglich eine Berichtigung nach § 153 AO vorzunehmen.

 

Da es in den letzten Jahren deutliche Verschärfungen im Steuerstrafrecht gab, ist es nicht auszuschließen, dass im Fall einer solchen Berichtigung vom Finanzamt eine straf- bzw. bußgeldrechtliche Vorwerfbarkeit des Erklärenden geprüft wird. Ein Fehler ist straf- bzw. bußgeldrechtlich nur dann vorwerfbar, wenn er vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde. Für eine Steuerhinterziehung reicht bereits bedingter Vorsatz aus. Ob im Einzelfall Vorsatz oder Leichtfertigkeit anzunehmen ist, und welcher der verschiedenen Vorsatzformen konkret vorliegt, ist häufig juristisch nur schwer abgrenzbar. Zur Abgrenzung führt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.05.2016 unter der Randnummer 2.6 aus: „Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das – vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann.“ Folglich kann ein erfolgreich eingerichtetes Kontrollsystem bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zugunsten der juristischen Person des öffentlichen Rechts und ihrer handelnden Personen gewertet werden.

 

Vor diesem Hintergrund führt das Landratsamt Pfaffenhofen a.d.Ilm ein innerbetriebliches Kontrollsystem, ein sog. Tax Compliance Management System (TCMS), ein.

 

In einem TCMS sind die Grundsätze und Maßnahmen zur Einhaltung der steuerlichen Regeln und Pflichten, unter Einbeziehung der Organisationsstrukturen, zusammengefasst und dokumentiert, die ein rechtmäßiges Verhalten der Verwaltungsleitung sowie der Mitarbeiter/Innen gewährleisten. 

 

Ein angemessenes TCMS basiert auf sieben – miteinander in Wechselwirkung stehenden - Grundelementen:

 

1.    Tax Compliance – Kultur

Festlegung von Grundeinstellungen und erwarteten Verhaltensweisen bezogen auf die Einhaltung der steuerlichen Pflichten, Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen, Führungskräfte haben Vorbildfunktion

 

2.    Tax Compliance – Ziele

Sicherstellung der vollumfänglichen Erfüllung der steuerlichen Pflichten, Einführung von vorbeugenden Maßnahmen und aufdeckenden Kontrollen, um dieses Ziel zu erreichen

 

3.    Tax Compliance – Organisation

Festlegung von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten und einer lückenlosen und überschneidungsfreien Ablauforganisation mit entsprechender Dokumentation

 

4.    Tax Compliance – Risiken

Systematische Risikoerkennung und Risikobewertung differenziert nach Steuerarten

 

5.    Tax Compliance – Programm

Einführung von präventiven und aufdeckenden Maßnahmen um Verstöße zu vermeiden, Erlass von Richtlinien und Checklisten, Schulungen von Führungskräften und Mitarbeiter/Innen, Festlegung von Vertretungs- und Unterschriftsbefugnissen, anlassbezogene und stichprobenartige Kontrollen, Dokumentation

 

6.    Tax Compliance – Kommunikation

Sensibilisierung und Information der Führungskräfte und Mitarbeiter/Innen über das Programm, die festgelegten Rollen und Verantwortlichkeiten sowie über die Risiken

 

7.    Tax Compliance – Überwachung und Verbesserung

Überprüfung der organisatorischen Vorkehrungen und Maßnahmen, Umsetzung von festgestellten Verbesserungsmöglichkeiten, Dokumentation

 

Für das Landratsamt Pfaffenhofen a.d.Ilm wurde eine auf die Verwaltung zugeschnittene Tax Compliance Richtlinie erarbeitet. Diese orientiert sich am Muster des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, der die Praxishinweise zur Ausgestaltung und Prüfung eines TCMS des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW PS 980) als Grundlage herangezogen hat.

 

Mit der Einführung des TCMS soll die vollständige und fristgerechte Erfüllung der steuerlichen Pflichten sichergestellt werden, um dadurch finanzielle Konsequenzen und persönliche Haftungsrisiken zu minimieren bzw. zu vermeiden. Ein weiteres Ziel ist die Sensibilisierung der Führungskräfte und Mitarbeiter/Innen auf die steuerrechtlichen Sachverhalte.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreisausschuss empfiehlt dem Kreistag zu beschließen:

 

Der Kreistag stimmt der Tax Compliance Richtlinie des Landratsamtes Pfaffenhofen a.d.Ilm zu. Die Umsetzung und der dauerhafte Betrieb des Tax Compliance Management Systems mit dem Ziel, die Einhaltung der steuerlichen Pflichten angemessen und wirksam zu gewährleisten, werden befürwortet und unterstützt.